Echt ätzend – der Chemieunterricht in der Klasse 10

Echt ätzend – der Chemieunterricht  in der Klasse 10 

Bei der Sicherheit von Schülern gibt es keine Kompromisse:

„Jeder geht drei Schritte zurück… Schutzbrillen auf… Achtung…!“

Emre frägt: „Könnten wir jetzt sterben?“

„Nur, wenn du deinen Kopf in den Eimer tunkst!“

Herr Heß kontrolliert noch einmal, ob die Sicherheitsmaßnahmen befolgt wurden, dann lässt er das münzrollengroße Stück Natrium in den halbhoch mit Wasser gefüllten Eimer plumpsen und entfernt sich Natrium1hastig.

 

Ein paar Sekunden lang sieht man nur zarte weißliche Rauchschwaden aufsteigen, es zischt leise… dann erfolgt die Explosion  – eine helle Stichflamme, ein ohrenbetäubender Knall, der Eimer wird in mehrere Teile zerfetzt, dunkler Rauch hüllt die starr vor Schreck umherstehenden Schüler ein, die Münder offen, dann entlädt sich der Schock in allseitigem hysterischen Gelächter. Aus den traurigen Überresten des Eimers verteilt sich jetzt die entstandene Natronlauge in seifigen Schlieren auf dem Pausenhof, und eine Lehrerkollegin kommt besorgt aus dem Anbau gehastet um zu sehen, was da gerade passiert ist. Wieder einmal haben die Schüler etwas gelernt, und zwar eindrücklich:  Erstens, Natrium ist ein äußerst reaktionsfreudiges Alkalimetall und zweitens, Wasser, im Volksglauben eher ein Löschmittel für alles, kann bei bestimmten Stoffen das Gegenteil, nämlich eine verheerende Reaktion, auslösen!

Der Unterrichtsstoff des Fachs „Materie –Natur – Technik“ in der Klasse 10 besteht schwerpunktmäßig aus chemischen Inhalten –  die Schüler sollen zuerst einen grundlegenden Einblick in den Aufbau der Elementarteilchen, der Atome, erhalten und deren wechselseitige Beziehungen anhand des Periodensystems kennenlernen.  Ziel ist es, die Pennäler auf den Besuch weiterführender Schulen wie Fachgymnasien oder Berufskollegs vorzubereiten, in denen grundlegende chemische Kenntnisse Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme sind. Diese relativ anspruchsvollen, komplexen Inhalte werden an der Schellingschule durch wöchentlich regelmäßigen experimentellen Gruppenunterricht in Form von Versuchen vertieft.periodic_de

Im Periodensystem steht das Element Natrium (Na) in der ersten Hauptgruppe, es ist also ein Alkalimetall und besitzt in seiner äußeren Elektronenschale genau ein Elektron (Außenelektron).  Wenn die Schüler jetzt noch die sogenannte „Edelgasregel“ begreifen, wonach jedes Element bestrebt ist, eine „volle“ äußere Schale zu haben (wie die Edelgase der achten Hauptgruppe) wird schnell klar, dass das Natrium (wie auch alle anderen Alkalimetalle)  dieses „überzählige“ Elektron loswerden möchte und sich deshalb sehr gerne mit anderen Stoffen verbindet!

Die Vermittlung des Unterrichtsstoffes in Theorie und Praxis hat sich bewährt – schließlich prägen sich Dinge besser ein, wenn sie nicht nur kognitiv, sondern auch haptisch erarbeitet werden; so werden zum Beispiel auch der verantwortungsvolle Umgang mit Feuer anhand des Gasbrenners oder das Experimentieren mit potentiell gefährlichen Stoffen wie Säuren, Laugen oder bestimmten Erdölderivaten eingeübt. Erfreulich dabei ist, dass die anfangs zu beobachtende Scheu vieler Schüler vor diesen Dingen mit zunehmender Übung und Sicherheit einem großen Interesse am Experimentieren und Beobachten weicht!P1010015

Ein weiteres großes chemisches Thema in der Klassenstufe ist die organische Chemie (Kohlenstoffchemie): dabei erfahren die Schüler Wichtiges zum Aufbau organischer Stoffe wie dem Erdöl, und wie aus diesen Naturstoffen Kunststoffe wie Plastik oder Carbon gewonnen werden, die z.B. wegen ihres geringen Gewichts heute in der Industrie nicht mehr aus unserer Welt wegzudenken sind; natürlich muss an dieser Stelle auch auf die Endlichkeit mancher Naturstoffe und deren nachhaltige Nutzung hingewiesen werden!

Ein anschauliches Experiment ist in diesem Zusammenhang das Destillieren von Alkohol, im Volksmund „Schnapsbrennen“ genannt:imagesCAHQVNUW

 

In einen Rundkolben wird Rotwein gefüllt, dessen Entflammbarkeit zuvor untersucht wurde (negativ!). Der Rotwein wird mittels einer Pilzheizhaube auf ca. 80 o C erhitzt und die die dabei entstanden Alkoholdämpfe kondensieren im Kühler wieder, sodass man als Derivat einen ziemlich reinen Alkohol (Ethanol) erhält, der jetzt problemlos entflammbar ist (Alkohol lässt sich ab einer Konzentration von ca. 45 % entzünden!). Wichtig ist hierbei vor allem auch für die interessierten (in diesem Falle meist männlichen) Schüler, dass man beim Alkoholdestillieren die ersten Tropfen unbedingt wegschütten muss, weil dies das hochgiftige Methanol ist, welches in den Medien oft schon zu unrühmlichen Schlagzeilen geführt hat:

„Könnte ich sterben, wenn ich das trinke?“, frägt Emre.

„Ja, das könntest du, oder zumindest  für immer erblinden!“

„Cool!“, sagt EP1010018mre.